Diesmal soll es ausnahmsweise nicht um die üblichen
Verdächtigen der US-Serienlandschaft gehen, sondern um hiesige Produktionen.
Dass es gar nicht so leicht ist, erwähnenswerte, weil gute, Serien zu finden
soll dabei auch thematisiert werden.
Beginnen wir also einmal damit, einen Grund zu suchen,
weshalb nahezu jeder Serienjunky sich nur dann für einen solchen hält, wenn er
auf seiner Liste 20 US-Serien hat und sich lediglich zwischendurch "auch
mal" eine deutsche Serie anschaut.
Zunächst hat serieller, fiktionaler Stoff in den USA einen
größeren Stellenwert, schon seit Urzeiten wird in den sogenannten
"Seasons" (jeweils September bis Mai) eine ganze Horde neuer Serien
(und zwar jedweder Art) auf den TV-Markt geworfen. In Deutschland hingegen
planen die Sender inkohärenter, füllen viele Abende mit der X-ten Wiederholung
eines Spielfilms oder auch Unterhaltungsshows. Dabei haben es Serien schwer,
denn nicht nur unterbricht man die regelmäßigen Ausstrahlungen, man liefert
gleichzeitig auch noch einmalige Gründe, die ein oder andere Folge der gerade
erst gestarteten Serie zu verpassen und so den Anschluss zu verlieren. Zu allem
Überfluss liefert das Ausland (und da eben besonders die USA) genügend
kreativen Nachschub um die Zuschauer zu befriedigen. Dass wir dabei dumpf
amerikanische Probleme konsumieren ist ein Nebeneffekt. Dabei gäbe es auch in
Deutschland gute Grundlagen für Politthriller, Milieu-Serien oder andere
Genre-Serien - und zwar fernab jeglicher Krankenhaus- oder Krimisettings.
Damit wäre wir beim nächsten Problem: Wenn in Deutschland
eine Serie produziert wird, dann ist sie zu 70 %iger Wahrscheinlichkeit ein
Krimi. Der Rest wird gefüllt mit der ein oder anderen Arztserie und im ZDF gern
mit Familienserien mit Tieren (Robben, Affen...). Anwaltsdrame à la Good Wife?
Plotthriller wie Scandal? Fehlanzeige. Selbst die deutsche Comedy ist nicht
mehr das, was sie einmal war. Trotz all dessen gibt es ein paar Beispiele, die
neben qualitativ auch noch erfolgreich sind und waren.
Die RTL-Comedy-Ära
Ende der 90er, Anfang der 2000er gab es eine Handvoll
durchaus sehenswerter und gut besetzter Comedies im RTL-Freitagsprogramm.
Allesamt aus der deutschen Mitte gegriffen und eben deshalb oft auch witzig - da für viele nachvollziehbar. Nikola mit Mariele Millowitsch und Walter
Sittler zum Beispiel, die im Krankenhaus stritten und auch noch im selben Haus
wohnten, was dazu führte dass die Grenzen schnell verwischten. Oder auch die
Normalo-Comedy Ritas Welt über Supermarkt Kassiererin Rita (Gaby Köster) und
ihre Kollegen sowie Familie. Und selbst die flachen Witze im Kölner Kiosk bei
Atze Schröder in Alles Atze sind noch ein recht guter Beweis, dass Comedy auch
in Deutschland durchaus funktioniert. Typisches deutsches Beamtentum wurde
durch Jochen Busse in Das Amt aufs Korn genommen und Die Camper lieferten mit
der deutschen Tradition des Campings ihre Geschichten ab. Oberdrauf garnierte
RTL 2001 den Comedy-Block mit dem von mir sehr geliebten Mein Leben & Ich,
in dem Wolke Hegenbarth einen sarkastischen und mürrischen Teenager spielt.
Hippieeltern und Schulsetting spiegeln das typisch deutsche Gesellschaftsbild
wieder. Und das macht die Charaktere identifizierbar. Leider verschob RTL die
Ausstrahlung der letzten, sechsten Staffel auf SuperRTL, wo es zuletzt 2010 im
Nachtprogramm versauerte.
Ansonsten setzte RTL vorrangig auf Knall-Bumm-Peng im Stil
von Cobra 11, Balko oder Der Clown. Und auch spätere Comedy-Produktionen waren
überschaubar - sowohl inhaltlich als auch erfolgstechnisch. Erst mit Der Lehrer
scheint wohl wieder eine Art Erfolg gelungen zu sein.
Die
Bora-Dagtekin-Dramedy
Bora Dagtekin ist so etwas wie der Messias für jeden
Serienfreund in Deutschland. Denn er schuf zwei äußerst witzige, echte Serien
mit verschrobenen Charakteren, die trotzdem sympathisch waren - noch bevor er
mit Fack ju Göhte die Kinokassen sprengte. Auch im Kino erfolgreich, jedoch
schon zuvor als Serie in der ARD zu sehen: Türkisch für Anfänger. Josefine
Preuß und Elyas M'Barek spielten die beiden Protagonisten der Familiencomedy.
Und die war so deutsch, wie sie sein konnte: Mutter Alt-Hippie, Vater
Polizeibeamter aus türkischer Einwandererfamilie. So macht man sich das
deutsche Gesellschaftsbild zu Nutze und kreiert herrliche Konflikte. Dabei
zuzusehen, wie Vorurteile und Klischees durch gekonnte Charakterzeichnung und
gute Komik langsam aufgeweicht werden, machte einfach Spaß.
Auch wenn der zweite Streich auf dem Papier vielleicht nicht
so kreativ anmutet, so ist es Doctor's Diary gelungen, ein breites Publikum
durch eine deutsche Produktion zu begeistern. Trotz dass es sich hier um eine
Krankenhausserie dreht, so ist man weit entfernt von dem staubtrockenen In
aller Freundschaft oder Antiquitäten wie Für alle Fälle Stephanie. Sexy, witzig
und manchmal auch ganz schön drüber - der
Zuschauer fiebert mit Dr. Gretchen Haase (Diana Ampft) mit, wenn sie ihren
Krankenhausalltag zwischen Dr. Mehdi Kahn (Kai Schuhmann) und Dr. Marc Meier
(Florian David Fitz) verlebt. Bis in die kleinsten Rollen gut besetzt, liefert
die Serie sowohl emotional als auch für die Lachmuskeln guten Stoff. Wenn auch
leider nur über drei sehr kurze Staffeln so ist die Serie zumindest eine gute
Tat des ausstrahlenden Senders RTL.
ProSieben/Sat1 mit
Hochs und Tiefs
Immer noch die größten Bestrebungen, im fiktiven Bereich
Serien zu produzieren, zeigt seit Jahren Sat1. Leider nicht so oft von
durchschlagendem Erfolg gekrönt (was an abgekupferten Konzepten wie dem
deutschen Dr. House "Dr. Molly & Karl" liegt), schaffte es der
Sender trotzdem, zwei Serien dauerhaft zu etablieren. Und zwar gleich im Doppelpack.
Der letzte Bulle spielt als Krimi zwar wieder in einer typisch deutschen Liga,
unterscheidet sich aber insofern, als dass sich zumindest die Backstory deutlich
von anderen Krimis unterscheidet.
Danni Lowinski liefert zwar auch das Fall-der-Woche-Schema,
jedoch auf äußerst erfrischende Weise. Die ehemalige Friseurin, die auf dem
zweiten Bildungsweg Anwältin wird, die aber aufgrund eben dieses keinerlei
Anstellung findet, gründet kurzerhand ihre eigene Kanzlei. Ihr "Büro"
befindet sich im Gang des Einkaufszentrums, ihr Stundensatz beträgt einen Euro.
Somit kommen wir mit Fällen in Verbindung, die durchaus eher sozialer als
materieller Natur sind, das ungewöhnliche Setting erlaubt es Danni (Anette
Frier), sich begründet übermäßig zu involvieren, etwas das zum Beispiel dem
bereits angesprochen Für alle Fälle Stephanie nie gelang (Warum sollte sich
eine Krankenschwester in die privaten Angelegenheiten ihrer Patienten so
permanent einmischen?). Und auch die Nachbarn im Kaufhaus sowie ihr eigener Hintergrund
erzählen ein bisschen was von der deutschen Gesellschaft. Der Gute Eindruck der
Serie ging sogar soweit, als dass sich der US-Sender The CW (eines der 5 großen
Networks) für eine US-Adaption des Stoffes interessierte. Hört hört!
Sat1 war es auch, die uns mit Edel & Starck eine weitere
Anwaltsserie brachten, die mit ihrem Charme und der Chemie zwischen den beiden
Dauerstreithähnen in der Kanzlei zu überzeugen wusste. Christoph M. Ohrt und
Rebecca Immanuel zeigten uns, wie deutsche Anwälte aussehen, im Gegensatz zu
den oft noch extremeren US-Pendents.
Selbst ProSieben hatte einst eine kleine Perle am Start, die
leider unbemerkt auf den Grund des (Quoten-)Meeres sank. Freche Dialoge und das
Lebensgefühl einer jungen Generation Großstadtbewohner kennzeichneten die Serie Verrückt nach Clara.
Auf einer französischen Vorlage basierend, wurde leicht verdeutscht und geboren
war eine deutsche Serie, wie ich sie mir vorstelle: Leise Momente, gefolgt von
einem kessen Spruch der Hauptdarstellerin gepaart mit einer guten Portion
Liebes- und Lebensdrama. Leider kam die Serie beim deutschen Zuschauer so gar
nicht an und ProSieben verschob die Serie von 20:15 auf 22:15 und schließlich
ins Nachtprogramm.
Dass Adaptionen ausländischer Projekte inklusive
Verdeutschung super funktionieren können, zeigten die Macher von Stromberg.
Fünf Staffeln lang mimte Christoph Maria Herbst in der deutschen Version von
"The Office" (das britische Original wurde bereits in den USA
adaptiert) die höchst eigene Version eines deutschen Chefs. Gekrönt wurde der
Erfolg von einem Film.
Krimi-ZDF und Ideen
bei der ARD
Während sich das ZDF im Serienbereich quasi ausschließlich
auf Krimis spezialisiert, kommt der sonst so kritisierte, weil altbackene
Sender ARD deutlich öfter mit frischen Ideen daher, wenn auch oft nur im
Vorabendprogramm. Sternenfänger mit Oliver Pocher und Nora Tschirner war so ein
Beispiel, ein typisches Jugenddrama mit super Setting und guten Stories. In
jenem Vorabendprogramm war auch Türkisch für Anfänger zu finden sowie das
überaus witzige Berlin, Berlin mit Felicitas Woll und Jan Sosniok. Selbst UmHimmels Willen möchte ich als guten Versuch werten, die Serienlandschaft in
Deutschland aufzuwerten. Denn obwohl es in der Serie um ein Kloster und dessen
Bewohnerinnen - also Nonnen - geht, kommt typisch deutscher Kleinstadtdümpel in
Form des Bürgermeisters (grandios: Fritz Wepper) dazu, der sich regelmäßig mit
der von Jutta Speidel potraitierten Schwester Lotte anlegt. Auch die Moralkeule
in Form von christlichem Übereifer wird erfreulich selten geschwungen. Über den
späteren Verlauf mit Umbesetzung und künstlichem am Leben halten sei an dieser
Stelle nichts gesagt. Die Grundidee war jedoch durchaus charmant und gut
umgesetzt.
Fazit
Ich gebe zu, es gibt sie, die guten deutschen Serien. Doch
leider ist es deutlich schwieriger eine Handvoll zu finden, als auf dem breit
gefächerten US-Markt. Und ja, auch dort gibt es Müll und eine Menge
Crime-Procedurals. Ich habe auch nichts gegen Krimis, aber in der Hülle und
Fülle und zunehmend unkreativeren Art und Weise wäre es mal an der Zeit für ein
paar neue Ideen. Wenn man sich zusätzlich dazu noch den ein oder anderen Import
(Erfolg ist auch hier nicht garantiert) sparen würde, so könnte man eventuell
auch einem deutschen Format eine Chance geben. Die hier gezeigten Beispiele
zeigen zumindest schon einmal, dass es durchaus möglich ist, in Deutschland
eine gute Serie zu machen und dabei auch erfolgreich zu sein.