Wer bereits darauf gewartet hat, wird nicht enttäuscht:
Heute thematisiere ich weder den Tod noch das besonders schlechte Ende einer
Kultserie, sondern ein einstiges Tabuthema. War es 1990 in der Lindenstraße ein
Kuss zwischen zwei Männern, der Zuschauer in Schock versetzte und
Hauptdarsteller Georg Uecker (seines Zeichens offen schwul) mit Todesdrohungen konfrontierte,
so ist es heute Gang und Gebe, dass Charaktere aus der LGBT-Community auf dem
Bildschirm präsent sind. Zwar gibt es auch heute noch Unkenrufe, speziell in
besonders konservativen Teilen der USA (ein Affiliate von NBC wollte bspw. die Serie The New Normal nicht ausstrahlen), doch im Allgemeinen haben die Autoren
und Schöpfer schon lange erkannt, dass schwule, lesbische und bisexuelle
Charaktere nicht einfach nur authentisch sind, sondern auch neue Stories
ermöglichen. Ein paar besonders gute Darstellungen der schwulen Parts sollen
hier heute einmal Würdigung finden.
Doch zuvor sei mir noch eine Zwischenbemerkung vergönnt:
Während Schauspieler, die sich outen wollen, befürchten müssen, keine Rollen
mehr als "hetero" Love-Interest zu bekommen, weil sie angeblich
weniger glaubhaft seien, eben weil sie schwul sind, sind es des Öfteren
Heteros, die Schwule spielen. Und das meiner Ansicht nach völlig überzeugend.
Und wenn man sich Neil Patrick Harris in seiner Rolle als Barnes Stinson in
HIMYM ansieht oder auch den wohl schönsten Mann im US-TV Matt Bomer alias Neil
Caffrey in White Collar, beweist dies eindeutig, dass diese Behauptung
hinfällig ist. Deswegen heißt deren Beruf Schauspieler.
Leading Gays
Zurück zum Thema. Zunächst möchte ich zwei Serien erwähnen,
die sich hauptsächlich um eine Gruppe schwuler Charaktere drehen. Dabei ist
interessant zu erwähnen, dass die Zeit zwischen beiden Serien auch in deren Art
den schwulen Lifestyle zu portraitieren verändert hat.
Queer asFolk (2000-2005)
Groundbreaking
würde es ein Amerikaner nennen. Als eine der ersten US-Serien beschäftigte sich
die Showtime-Serie QaF mit einer Gruppe junger schwuler Männer, mit deren
Lieben, Leiden und Lüsten. Dreh und Angelpunkt war der stetige gemeinsame
Besuch im "Babylon", einer Disco, in der nahezu ausschließlich Schwule
verkehren und in der auch nur House-Musik gespielt wird. Doch neben Sex und
Drogen geht es auch um essenzielle Dinge wie HIV-Infizierung und Homophobie.
Unsere Helden sind übrigens weitestgehend geoutet, was durchaus angenehm ist,
da das Thema Coming-Out manchmal ein Überstrapaziertes ist. Auffallend ist außerdem, dass QaF eher in einer schwulen Subkultur zu spielen scheint. Die
Protagonisten gehen in der "normalen" Welt ihrer Arbeit nach und
kehren am Abend in den "schwulen" Teil Pittsburghs zurück. Trotz
aller Klischee-Bestätigung schafft es die Serie vor allem durch tolle, diverse
Charaktere ein authentisches Bild von schwulen Menschen zu zeichnen.
Abgebrochene Handgelenke sind hier und da durchaus vorhanden (und werden
natürlich auch angesprochen), doch im Mittelpunkt stehen stets die
Charakterzüge, auf die es im Zwischenmenschlichen ankommt.
Looking (seit 2014):
Neun Jahre nach dem Ende von QaF startete in diesem Jahr
eine neue Serie mit schwulen Protagonisten beim Konkurrenten HBO. Andere
Stadt, andere Zeit. Im offenen San Francisco bewegen sich die Hauptcharaktere
mitten unter den anderen Menschen dieser Stadt, sind ein Teil von ihr geworden.
Themen wie die oft schwierige Beziehung zu den Eltern und die daraus
resultierenden Ängste und Scham rund um das eigene Schwulsein sowie der
Dauerbrenner HIV sind zwar vorhanden, nehmen jedoch weniger Raum ein. Vielmehr
steht das Lebensgefühl einer neuen Generation schwuler Männer, die sich mehr
und mehr offen durch diese Welt bewegen können und trotzdem erfolgreich sind,
im Vordergrund. Zudem überzeugt die Charakterarbeit rund um Patrick und seine
Freunde, was sicher an der Mitarbeit des wunderbaren Andrew Haigh liegt, der
schon mit Weekend (2013) einen ähnlich menschlich-intensiven Film ablieferte
und nun hier hin und wieder Regie und Drehbuch beisteuert. So können sich nicht
nur Schwule mit den Charakteren identifizieren, sondern auch Heteros den einen
oder anderen Zug in sich erkennen.
Supporting Gays and
Gay Regulars
Während in vielen Comedies leider noch alte Klischees zur
Belustigung dienen und die Charaktere oftmals nur "schwul" sind und
sonst nichts weiter, gelingt es in anderen Serien deutlich öfter, Schwulsein
nicht mehr als Schockthema zu sehen ("[...] führt den Ermittler in die
schwule Szene." wie ich neulich erst bei einem alten Tatort las), sondern es
entweder als Quelle guten Dramas zu nutzten oder gar nicht weiter zu behandeln.
So betonten die Macher von The Good Wife (ja, schon wieder!), dass Alicias
Bruder zwar schwul sei, dies aber eigentlich nicht weiter wichtig ist. Er ist
halt schwul. Punkt.
Hier mal ein paar Beispiele, in denen der jeweils schwule
Charakter gut geschrieben ist und seine Stories nie (oder nur selten) einem
Klischee entsprechen:
Happy Endings (2011-2013)
Einige der wenigen Comedies, die es schaffen, überhaupt
einen schwulen Charakter im Maincast zu führen und die es dann noch schaffen,
diesen nahezu restlos klischeefrei zu schreiben. So wird Max (Adam Pally) bescheinigt
"You're not gay, you're a straight guy who sleeps with dudes." Das
macht seine eigenen Kommentare über seine heterosexuellen Männerfreunde, die
allesamt schwuler sind als er selbst, umso witziger. So sind es weniger
Klischees über Schwule, mit denen Happy Endings spielt, sondern viel mehr wie
diese Klischees permanent verwendet werden und eben oftmals einfach falsch
sind. "Even I think
Rollerblades are gay. And I had sex with a dude last night."
Brothers & Sisters (2006-2011)
In einem früheren Eintrag war diese Serie noch bei den
Negativbeispielen vertreten, hier steht sich zu Recht bei den Vorbildern. Der
Pilot der Serie wurde, meines Erachtens zu Glück, noch einmal bearbeitet. So
wurde aus dem verheiraten, Kinder habenden Kevin, der herausfindet schwul zu
sein, der etwas unsichere Single Kevin (Matthew Rhys), der noch nicht so recht
weiß, wie er mit seiner Homosexualität umgehen soll. In der Familie geoutet und
auch sonst nicht besonders geheimnistuerisch geht die Serie offen mit Kevins
Sexualität um, beschert ihm einige Beziehungen, an denen er wächst und sich
immer mehr mit seiner Sexualität wohl fühlt. Einzig auffällig ist hier wohl,
dass Küsse und intimere Szenen deutlich weniger zu finden sind als in den
anderen Beziehungen zwischen Mann und Frau in der Serie.
Das ist das fetzigste was man dem Zuschauer zumutet:
Letztendlich heiratet ("get formally
institutionalyzed") Kevin seine große Liebe Scotty (Luke Macfarlane) und gründet mit ihm
eine Familie.
Und auch ein zweiter Charakter der Famile, Onkel Saul, outet
sich in höherem Alter (etwa 60) Ende der zweiten Staffel, stellt fest, sich und alle
anderen sein gesamtes Leben lang belogen zu haben. Die Tragik einer ganzen
Generation schwuler Männer kommt leider nicht ganz zum Tragen, da die Serie es
nicht ganz schafft, der Story genug Raum und Logik einzuräumen. Im Gedächtnis
bleiben mir zwei gute Offenbarungen Sauls, einmal seiner Schwester Nora
(grandios: Sally Field) und einmal Kevin gegenüber.
Scandal (seit 2012)
Ich weiß zwar nicht so richtig, ob es ein positives Beispiel
ist, aber ich wähle es bewusst um deutlich zu machen, dass lang nicht alles
schwarz/weiß ist auf dieser Welt. Ganz getreu dem Motto der Serie, die immer
wieder den "white hat" sucht und bei der nie ganz sicher ist, wer die Guten und
wer bie Bösen sind, ist auch der Schwule Charakter der Serie manchmal ein
Mensch mit Gefühlen für seinen Ehemann, manchmal ein Monster mit Gier nach Macht
und Kontrolle. Cyrus Bean ist sicher kein Vorbild, aber Jeff Perrys
(bekannt aus Grey's Anatomy als Merediths Vater) Rolle macht deutlich, dass
auch schwule Abgründen nicht fern sind, es ihnen nicht anders geht als Heteros.
Das mag zum Einen ein schlechtes Bild auf Homosexuelle werfen, auf der Suche
nach Toleranz und Anerkennung, zum Anderen zeigt es aber auch ganz deutlich,
dass sie nichts als ihre Vorliebe für das gleiche Geschlecht vom Rest der
Menschen unterscheidet. Und da Cyrus nicht der einzige Charakter der Serie ist,
der zwischen sympathisch und abscheulich pendelt, rückt seine Sexualität
oftmals angenehm in den Hintergrund. Und die Tatsache, das Shonda Rhimes den
Chief of Staff des Präsidenten der Vereinigten Staaten schwul sein lässt,
spricht auch Bände.
Eben solche Beispiele lassen sich auch für lesbische Frauen
oder Bisexuelle finden. Und auch weitere Serien schaffen es, einen durchaus
positiven Beitrag für Toleranz und Akzeptanz gegenüber Homosexuellen zu
leisten. Das angesprochene The Good Wife hat neben dem schwulen Owen noch die
bisexuelle Kalinda (Archie Panjabi) zu bieten. Modern Family (seit 2009) zeigt
getreu seines Namens, wie Cam (Eric Stonestreet) und Mitchell (Jesse Tyler
Fergusen) ein Leben als moderne Familie als schwules Paar mit Kind(ern) führen.
Und auch in Shonda Rhimes' erster Hitserie Grey's Anatomy (seit 2005) lieben sich zwei
Frauen (Callie und Arizona).
Fazit
Schon eine kurze Zeit führte zu einer merklichen Veränderung
der Darstellung und Häufigkeit von LGBT-Charakteren im TV. Dabei bedingen sich
die Anzahl und die Darstellung sowie die Akzeptanz bei den Zuschauern
gegenseitig. Umso besser die Darstellung und umso häufiger solche Charaktere
auftauchen, desto mehr macht man das Publkum mit ihnen vertraut. Und umso
vertrauter das Publikum wird, desto häufiger wird es möglich, das tatsächliche
Gesellschaftsbild zu zeigen.
Für den schwulen Zuschauer ist es darüber hinaus natürlich
auch mal schön, wenn sich zwei Männer verlieben oder küssen. Auch diesen Aspekt
darf man bei der Unterhaltungsbranche nie vergessen. Und nicht zuletzt sind
Homosexuelle auch Konsumenten und als solche Kapitalträger. Aber das sind wir
angesichts gut gemachter Geschichten um unseresgleichen gern.